20 Jahre Crostwitzer Schulaufstand (Chróšćan zběžk): Erst verloren, dann gewonnen – „so viele junge Power-Sorben gab es noch nie“

 

In Crostwitz/Chrósćicy haben am Montagabend rund zweihundert Menschen an den Crostwitzer Schulaufstand („Chróšćan zběžk”) vor 20 Jahren erinnert. Zu der Veranstaltung hatten der Domowina-Regionalverband „Michał Hórnik” Kamenz/Kamjenc, der Dachverband Domowina – Bund Lausitzer Sorben und der Sorbische Schulverein eingeladen. Am Anfang wurde ein Film des SAK Bautzen von 2011 mit Originalaufzeichnungen aus der Zeit vom 9. August bis 4. September 2001 gezeigt.

 

Am ersten Tag des Schuljahres 2001/2002 führte der damalige Crostwitzer Pfarrer Clemens Hrjehor (Rehor) nach dem Gottesdienst die Schüler der 5. Klasse der sorbischen Mittelschule „Jurij Chěžka” gegen den Willen des Kultusministeriums in die Schule, deren schrittweise Schließung beabsichtigt war. Deshalb war behördlicherseits befunden worden, für die Einrichtung der Eingangsklasse bestehe „kein öffentliches Bedürfnis“, da statt der Mindestschülerzahl von 20 nur 17 da waren. Über die damalige Zeit wurde am Montagabend erstmal eine Ausstellung präsentiert, die die jungen Sorbinnen Luise Wiener und Felicia Touvenot mit Bildern und Texten erarbeitet haben. Die deutschsprachige Zusammenfassung der Inhalte ist ab sofort im Blog der Domowina abrufbar: https://domowina.blog/2021/09/07/der-crostwitzer-schulaufstand-2001-ein-ruckblick-2021/

 

Zugleich hat die Domowina ein Gedenk-Kärtchen für den im Mai verstorbenen Pfarrer Clemens Hrjehor (Rehor) herausgebracht, auf dem sich Auszüge aus einem Gespräch befinden, das Domowina-Geschäftsführer Marko Kowar mit ihm im Frühjahr anlässlich 20 Jahre Crostwitzer Schulaufstand geführt hat. Darin äußert sich Clemens Hrjehor auch zur damaligen sächsischen Regierungspolitik gegenüber den Sorben in Schulangelegenheiten: „Die sorbische Frage hat überhaupt keine Rolle gespielt. Das hat mich gestört. Die sorbische Mittelschule in Crostwitz war der beste Ort im ganzen Sorbenland, wo die Kinder untereinander ausschließlich sorbisch gesprochen haben.“

 

Jana Markowa (Mark), Hausärztin mit Praxis in Neschwitz/Njeswačidło und damals Vertreterin engagierter Eltern im Crostwitzer Schulaufstand, sagte in ihrer Rede als Zeitzeugin: „Es bleibt ständig neu die Frage, wie viel Sorbisches wir als Sorben wollen.” Kritisch verwies sie darauf, „dass wir einsprachig deutsche Informationen an sorbischen Schulen, in Behörden und in den Gemeinden akzeptieren, wir fragen nicht danach, wie viel Sorbisches nicht nur im Sorbisch-Unterricht, aber auch in Geschichte, Musik, Kunst, Naturkunde an sorbischen Schulen vermittelt wird.“ Zugleich hofft sie, dass sich auch die Schüler der damaligen 5. Klasse als Sorben fühlen, die in ihrer Muttersprache träumen können.

 

Jakub Brězan, selbst Schüler jener 5. Klasse im Jar 2001, dankte den Eltern für ihren Mut und sprach zugleich mit Anerkennung davon, wir Pfarrer Hrjehor ihnen den Rücken gestärkt habe. Brězan sieht, „dass der Stein, den wir ins Rollen gebracht haben, weiter rollt“ – noch nie habe es gerade auch in der jungen Generation so viel „Power-Sorben“ gegeben wie jetzt. Regina Šołćina aus Cunnewitz/Konjecy und 2001 jeden Tag aktive Mitstreiterin, dankte jetzt, wieder mit der sorbischen Fahne in der Hand, den ehemaligen Schülern dieser Klasse, die bei der Gedenkveranstaltung dabei waren, für ihre Begeisterung für das Sorbische.

 

Der Crostwitzer Bürgermeister Marko Kliman erinnerte an die persönlichen Angriffe, denen die Betroffenen ausgetzt waren, an die Uneinigkeit unter den Sorben – „auch das gehört zur Wahrheit.“ Er wünscht sich „Ausdauer und Kreativität für unser Volk“. Domowina-Vorsitzender Dawid Statnik, rief dazu auf, sich immer auf das zu konzentrieren, was für das Wohl des sorbischen Volkes entscheidend ist, und sich nicht in politischer Taktik zu verlieren. Sein Amtsvorgänger Jan Nuk kritisierte besonders die Rolle einiger sorbischer Politiker und Kommunalverantwortlichen in jener Zeit, „die nicht kompromisslos hinter uns gestanden, sondern überwiegend aus der Ferne auf den Crostwitzer Schulaufstand geschaut haben.“ Diese Nichtsolidarität habe letztlich dazu geführt, dass der große Protest seinerzeit nicht von Erfolg gekrönt wurde.

 

Nuk dankte den tschechischen Politikern und Kulturschaffenden, die den Sorben in dieser schweren Stunde zur Seite standen. Bei der Gedenkveranstaltung war auch der tschechische Professor Leoš Šatava dabei, der damals mit seiner Familie in der sorbischen Lausitz wohnte und bei seinem Aufenthalt insbesondere Forschungsergebnisse über die sorbische Identität und das Sprachverhalten von Jugendlichen hinterlassen hat.

 

Den Abend moderierte die Domowina-Regionalvorsitzende Diana Wowčerjowa. Die Organisation lag in den Händen der Domowina-Regionalsprecherin Katharina Jurkowa, zugleich Vorsitzende des Sorbischen Schulvereins. Für die musikalische Umrahmung sorgte eine Kapelle von Jungen der sorbischen Grundschule Crostwitz/Chrósćicy. Deutschen Gästen, die der sorbischen Sprache nicht ausreichend mächtig sind, wurde eine Simultanübersetzung ermöglicht, um die sich kundig Regina Krawcowa, frühere Sorbenbeauftragte des Landkreises Bautzen/Budyšin, kümmerte. Zum Schluss der offiziellen Veranstaltung stimmten die Anwesenden – wie täglich beim Crostwitzer Schulaufstand – das Kirchenlied „Božo, ty Serbow” an. Im Anschluss wurde bei herrlichstem Spätsommerwetter ausgiebig die Gelegenheit zu Beisammensein und Gesprächen genutzt.

 

Bild: Jana Markowa (Mark) erinnert aus der Perspektive engagierter sorbischer Eltern an den Crostwitzer Schulaufstand 2001. Foto: Domowina.

 

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