Wird die sorbische Hymne geändert? Domowina-Bundesvorstand diskutierte über Vorschlag der Maćica Serbska

Wird die sorbische Hymne geändert? Die sorbische wissenschaftliche Gesellschaft „Maćica Serbska”, der älteste unter den überregionalen Mitgliedsvereinen des sorbischen Dachverbandes Domowina, hatte neulich unter Bezug auf die zweite Strophe der Hymne „Rjana Łužica” (Schöne Lausitz) mit der Frage „Su jenož ,mužojo hódni wěčnoh wopomnjeća’?” – „Sind nur ,Männer würdig ewigen Gedenkens‘?“ zur öffentlichen Diskussion aufgerufen. Diese Diskussion erreichte am Freitagabend den Domowina-Bundesvorstand, der zu seiner ersten Sitzung des Jahres zusammengekommen war. Domowina-Vorsitzender Dawid Statnik bekräftigte wie schon in seinem Video-Gruß zum Jahreswechsel (1) seine „persönliche Position“, diese Passage der Hymne „nicht mehr zu unterschreiben, weil hier die bessere Hälfte unseres Volkes fehlt, die Frauen.“

Aktuelle Auslöser des Aufrufes, so hatte es Vereinsvorsitzende Dr. Anja Pohontsch im Namen des Vorstandes der Maćica Serbska im Aufruf zur Diskussion (2) geschrieben, ist zum einen der kritische Kommentar der sorbischen Zeitung „Serbske Nowiny” anlässlich der Verleihung des Ćišinski-Preises 2021 (3), dass man sich entweder des Singens der zweiten Strophe enthalten oder sie zeitgemäß ändern möge. Zum anderen das „Zejler-Kocor-Jahr“ 2022 (4), das anlässlich des 150. Todestages von Handrij Zejler (5) und des 200. Geburtstages von Korla Awgust Kocor (6) mit einem ganzjährigen Veranstaltungsreigen (7) stattfindet. Kocor schrieb die Melodie auf das Gedicht von Zejler, dessen erste und letzte Strophe seit Generationen als sorbische Hymne (8) gesungen wird.

Im Domowina-Bundesvorstand begrüßten zahlreiche Mitglieder ausdrücklich die von der Maćica Serbska eröffnete Diskussion, so Domowina-Vizevorsitzender Dr. Hartmut Leipner, der Vorsitzende des Sorbischen Künstlerbundes Jan Bilk, die Vizevorsitzende des Domowina-Regionalverbandes Hoyerswerda/Wojerecy, Lubina Dutschmann, Maria Michalk und Damian Dürlich (Vertreter des Cyrill-Methodius-Vereins) und Jan Clausen (Domowina-Regionalverband „Michał Hórnik” Kamenz/Kamjenc). Lubina Sauer (Gesellschaft zur Förderung des Sorbischen National-Ensembles) fragte nach dem weiteren Vorgehen, aus Sicht des Domowina-Vizevorsitzenden Marko Hantschick ist es nicht Aufgabe des Bundesvorstandes, in dieser Frage eine einheitliche Meinung herbeizuführen. Letztlich schlossen sich alle der Meinung von Dr. Hartmut Leipner an, dass „die Diskussion bei der Maćica Serbska (9) in guten Händen ist”.

Die Maćica Serbska schlägt vor, den Text „behutsam zu ändern und das parallele Singen der originalen und bearbeiten Version zuzulassen, ohne dass dies zu sehr stören würde.“ In gewisser Weise werde dies jetzt schon praktiziert, wenn Ober- und Niedersorben die Hymne zusammen singen, in beiden Sprachen. Der neue Text wäre: „Njech nam z klina twojeho wuńdu žony, mužojo, hódni wěčnoh wopomnjeća” (mögen aus deinem Schoß Frauen, Männer hervorgehen, würdig ewigen Gedenkens). Der gleich lange bisherige Text „Ow, zo bychu z twojeho klina wušli mužojo, hódni wěčnoh wopomnjeća!” kennt nur Männer (mužojo), nicht auch Frauen (žony). Zugleich verweist die Vorsitzende der Maćica Serbska darauf, dass die Niedersorben bei der Einbeziehung der Frauen in die Hymne schon einen Schritt weiter sind. So werde die Originalübersetzung von Hendrich Jordan „Och, gab muže (Männer) stanuli...” bereits von vielen parallel so gesungen: „Och, gab luźe (Leute) stanuli...”

Die Diskussion im Bundesvorstand hatte Janek Schäfer, Chefredakteur der „Serbske Nowiny”, mit seiner Wortmeldung beim Tagesordnungspunkt „Anfragen von Mitgliedern der Domowina und von Gästen zu sorbischen Angelegenheiten“ ausgelöst. Er stellte die Frage, wie die Domowina den Vorschlag bewerte und welchen Standpunkt der Domowina-Bundesvorstand dazu einnehme. Der Tenor der Debatte am Freitagabend im Saal des Hauses der Sorben in Bautzen/Budyšin und über die Bildschirme, da die Hälfte der Teilnehmer pandemiebedingt online zugeschaltet war, kam in den Worten von Dawid Statnik zum Ausdruck: Er halte den Vorschlag für „zeitgemäß und berechtigt“, man werde aber darüber „nicht von oben herab“ entscheiden, es gehe hier nicht um einen amtlichen Akt, sondern um gesellschaftliche Verständigung. Der 20-jährige Jura-Student Jan Clausen hatte in der Diskussion daran erinnert, dass auch die derzeitige deutsche Nationalhymne als dritte Strophe des Deutschlandliedes (10) historisch gewachsen ist.

Die Maćica Serbska hatte nicht nur zu Diskussionsbeiträgen aufgerufen, sondern plant, wenn es die Pandemie-Lage wieder möglich macht, zusammen mit der sorbischen Zeitung eine öffentliche Diskussionsveranstaltung. 

  1. https://www.domowina.de/pressebereich/blog/weihnachtsgruesse-von-dawid-statnik-vorsitzender-der-domowina-bund-lausitzer-sorben-e-v-1821
  2. https://www.domowina.de/fileadmin/Assets/Domowina/Material_MacicaSerbska/Material_Macica_Dokumente/Namolwa_MS_k_diskusiji_wo_serbskej_hymnje_2022-01-24.pdf
  3. https://stiftung.sorben.com/deutsch/stiftungsprojekte/cisinski-preis/ 
  4. https://www.sorbisch-na-klar.de/interview-mit-clemens-skoda-das-zejler-kocor-jahr/
  5. https://de.wikipedia.org/wiki/Handrij_Zejler
  6. https://de.wikipedia.org/wiki/Korla_Awgust_Kocor
  7. https://domowina.blog/2021/11/30/zejler-kocor-jahr-2022/
  8. https://de.wikipedia.org/wiki/Rjana_Łužica
  9. https://www.domowina.de/mitgliedschaft/mitgliedsvereine/macica-serbska
  10. https://www.bundestag.de/parlament/symbole/hymne/hymne-197462

 

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