Kohleausstieg: Domowina fordert bleibende Erinnerung an alle abgebaggerten sorbischen Dörfer in der Lausitz

Zur Diskussion um das Kohleausstiegsgesetz erklärt Dawid Statnik, Vorsitzender des sorbischen Dachverbandes Domowina:„Mit dem Kohleausstiegsgesetz, das diese Woche von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden soll, wird der gesetzgeberische Schlussstrich unter rund anderthalb Jahrhunderte Lausitzer Braunkohle-Abbau in großem Stil gezogen. Für unser sorbisches Volk ist das eine historische Woche, die uns alle tief bewegt. 137 Orte des sorbischen Siedlungsgebietes, die dem Braunkohle-Tagebau weichen mussten, können heute nur noch im ,Archiv verschwundener Orte‘ (,archiw zgubjonych jsow‘) in Horno / Rogow in digitaler Datenbank betrachtet werden. Die Einwohner von Horno mussten 2003/2004 ihr 15 Kilometer entferntes Heimatdorf wegen der nahenden Kohlebagger verlassen, ihr neu errichtetes Dorf gehört nun zur Stadt Forst (Baršć). Die Umsiedlung von Horno gegen den Willen der Bevölkerung war für uns eine gemeinsame bittere Niederlage. Als vor wenigen Tagen auf der Bundesvorstands-Sitzung unseres sorbischen Dachverbandes der Bürgermeister von Schleife / Slepo mit Blick auf die geplante Umsiedlung von Mühlrose / Miłoraz in seinen Ort sagte, niemand sei gezwungen, Mühlrose zu verlassen, da zeigte sich die neue Zeit.Wir erinnern uns: Noch vor wenigen Jahren war die Rede von fortschreitendem Tagebau bis 2067 und drohender Umsiedlung von 1.500 Menschen allein im Kirchspiel Schleife. Nun kommt das, was wir als Domowina immer gefordert haben: der mittelfristige Ausstieg aus der Braunkohle-Verstromung – konkret das Ende 2038, eine Generation früher, als noch vor kurzem gedacht. Zugleich lösen sich die alten Konflikte vor Ort auf: Die Mehrheit der Menschen in Mühlrose möchte seit langem nicht zuletzt wegen der Belastungen durch den Bergbau umziehen; das respektieren wir trotz unserer grundsätzlichen Ablehnung von Umsiedlungen. Zugleich wünschen wir denen, die bleiben wollen, gutes Gelingen: Dass trotz des neuen Friedhofs am Umsiedlungsstandort die Menschen weiter ihre verstorbenen Angehörigen auf dem angestammten Friedhof bestatten dürfen, ist ein Signal in die richtige Richtung. Zur Fairness gehört aber auch festzustellen, dass die Bergbautreibenden in den vergangenen Jahren 400 sorbische Projekte in der Niederlausitz und 800 in der Schleifer Region unterstützt haben. Auch mit ihrer Förderung sind allein in dieser Zeit neun neue Gedenkorte für abgebaggerte Dörfer entstanden. Wir bemühen uns weiter um die Wiederrichtung des Denkmals für Groß Lieskow / Liškow, das vor vierzig Jahren dem Tagebau Cottbus-Nord zum Opfer fiel. Es reicht auch nicht, im Lausitzer Seenland auf Infotafeln beiläufig darauf hinzuweisen, dass unter den heutigen Seen mal sorbische Dörfer waren. Es sollten die Menschen, die an und auf den Seen unterwegs sind, sehen können, wo einst diese Orte waren, das könnte etwa mit Bojen, also schwimmenden Markierungen geschehen. Dieser Wunsch wurde bereits bei Treffen der früheren Einwohner von Groß Partwitz / Parcow geäußert. Es haben auch viele Sorben in und mit der Kohle gelebt, dort, wo der Sandboden für die Landwirtschaft nicht sehr ertragreich war, durchaus auch aus innerer Überzeugung. Damit dem Verschwinden der Dörfer durch die Kohle nun nicht das Verschwinden durch strukturelle Schwäche folgt, haben wir eine gemeinsame Kraftanstrengung vor uns. Da bringen wir das Alleinstellungsmerkmal der Lausitz, die sorbische Sprache und Kultur, gerne als starken Faktor für bleibende Attraktivität ein.“

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